Native Art Now!
Samstag, 8. Februar 2020 um 09:00 Uhr
Robert-Bosch-Saal, vhs Stuttgart
USA, 2017, Produzent*in: Viki Anderson, Clayton Taylor, Länge: 56:47, FSK keine Angabe, Sprache: Englisch
Native Art Now! befasst sich mit der zeitgenössischen indigenen Kunst der letzten 25 Jahre. International gefeierte Künstler*innen erzählen ihre persönliche Geschichte und von der Herausforderung, als indigene Künstler*in anerkannt zu werden.
Hintergrundinformationen – Deutsche Version
Kunst und Kolonialisierung
Native Art Now! gibt uns einen bedeutsamen Überblick über die letzten 25 Jahre indigener Kunst der heutigen Zeit. Um besser zu verstehen, was dieser Film vollbringt und darstellt, ist es wichtig die Vergangenheit indigener Kunst unter (weiterhin andauernder) Kolonialisierung in den Blick zu nehmen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verboten die sogenannten „Internatsschulen für Indianer“ alle „traditionellen“ indigenen Ausdrucksformen einschließlich der indigenen Kunst und benutzten euro-amerikanischen Kunstunterricht um indigene Kinder zu „zivilisieren“ und assimilieren. Sie waren überzeugt, dass der Kunstunterricht nach weißen westlichen Kunstprinzipien, indigenen Kindern Werte und Ansichten vermitteln würde, die letztendlich zur Auslöschung der „primitiven Kultur“ führen und damit die Assimilation vereinfachen würde. Mit anderen Worten, der Kunstunterricht sollte ihnen beibringen, wie man „die Welt richtig sieht und versteht.“ Gleichzeitig sollte er ihre handwerklichen Fähigkeiten verbessern. Im Grunde wurde Kunst also nicht unterrichtet, damit indigene Kinder Künstler werden konnten, sondern damit sie westliche Werte verinnerlichten und um sie zur Herstellung von Gütern zu befähigen, die weiße Amerikaner benötigten.
Indigenes Kunsthandwerk
Mit der Vorstellung vom „aussterbenden Indianer“ wurde auch das indigene Kunsthandwerk als Teil einer entschwindenden Vergangenheit betrachtet. Nostalgische Weiße—ergriffen von einer „Indianersehnsucht“—wollten der Modernität durch „Handarbeit im Stil der Ureinwohner“ entkommen und schufen dadurch einen Markt für indigene Handarbeit wie Korbwaren, Keramik, Weberei und Perlenarbeit. Da es nun eine „Marktnachfrage für handgefertigte Indianerwaren“ gab und sie wirtschaftlich profitieren konnten, nahmen Schulen die Herstellung solcher Handarbeit in ihren Lehrplan auf. Durch diesen Vorgang wurde indigene Kunst also darauf beschränkt, Handarbeit einer bestimmten Art zu sein, die als „authentisch“ galt, um „das Werk der Vergangenheit zu bewahren.“ Dies war ein weiterer Teil der Kolonialisierung, wonach indigene Völker der Vergangenheit angehören und nicht in der Gegenwart existieren. Deshalb ist ihnen in der Gegenwart nur die Art von Kunst erlaubt, die der romantisierten Vergangenheit und dem weißen Sinn für Exotik und Nostalgie entspricht. Somit werden indigene Menschen von moderner bildender Kunst ausgeschlossen, trotz der Tatsache, dass sie sehr wohl heute leben.
„Nicht indianisch genug“
In diesem Kontext also haben sich zutiefst problematische Vorstellungen darüber durchgesetzt, was indigene Kunst war und was nicht, und diese Vorstellungen bleiben hartnäckig bestehen. Eine Kategorisierung als „nicht indianisch genug“ ist ein Teil der Kunstgeschichte amerikanischer Ureinwohner, dem zufolge nicht-indigene Menschen entscheiden, was „indigen genug“ ist. Künstler, wie zum Beispiel George Morrison, wurden abgelehnt als sie Werke bei Kunstmuseen einreichten, da diese als „nicht indianisch genug“ beurteilt wurden. Während dieser Zeit schuf George Morrison Kunst im Stil des abstrakten Expressionismus, und indigene Künstler, die in zeitgenössischen Stilrichtungen arbeiteten, galten als unvorstellbar.
Indigene Kunst
Somit sind die indigenen Künstler und andere indigene Mitwirkende die in Native Art Now! vorgestellt werden, dadurch, dass sie darauf bestehen indigen und Künstler zu sein, egal, welche Art von Kunst sie nutzen—und durch die dargestellte Vielfalt—an einem Prozess der Dekolonialisierung beteiligt. Anstatt nicht-indigenen Personen zu erlauben, sie und ihre Kunst zu definieren, nehmen die indigenen Künstler für sich das Recht zur Selbstdefinition in Anspruch.
(Betül Seslikaya, Studierende der Universität Tübingen)
Background Information – English Version
Art and Colonization
Native Art Now! gives us a significant overview over the last 25 years of contemporary indigenous art. In order to appreciate the depth of the work it is doing, it is important to consider the past of indigenous art under (ongoing) colonization. Towards the turn of the 20th century, the so-called “Indian” boarding schools prohibited all “traditional” indigenous forms of expression including art and began using art lessons to “civilize” and assimilate indigenous children. Art instruction based on white Western principles of art, they believed, would make them learn values and beliefs that would ultimately lead to the elimination of the “savage culture” and make it easier to fully assimilate them. In other words, it was supposed to teach them the “proper way of seeing and understanding the world.” At the same time, art instruction was to provide training in manual skills. Essentially, art was not taught so that indigenous children could become artists, but so they would adopt Western values and could become producers of manufactured goods for the white Americans.
Indigenous Craftwork
With the idea of the “vanishing Indian,” their arts and crafts were seen as part of that vanishing past, too. Nostalgic white people—caught by an “Indian craze”—wanted to escape modernity through “Native-style” handmade crafts and created a market for crafts such as Indigenous basketry, pottery, weaving and beadwork. Since there now were market demands for “handmade Indian goods” and they could profit economically, schools added the production of such crafts to their curriculum. Through this process then, indigenous art was only allowed to be craftwork of a specific type that was considered “authentic” in order to “preserve the work of the past.” This was yet another part of a process of colonization: according to the colonizer, indigenous peoples belong to the past and do not exist in the present. Therefore, only the kind of art that speaks to the romanticized past and the sense of exoticism and nostalgia of white people is allowed in the present. Indigenous people, despite being present and alive, are thus excluded from modern fine art.
“Not Indian Enough”
It is in this context that deeply harmful ideas of what was and what was not indigenous art took root and has remained persistent. A “not Indian enough” categorization is a “part of American Indian art history,” in which non-indigenous people decide what is “indigenous enough.” Artists such as George Morrison, for example, were rejected after submitting work to art museums for not being “Indian enough.” During this time, he was creating art as part of the abstract expressionist movement, and indigenous artists working in contemporary styles were considered unimaginable.
Indigenous Fine Art
As such, the indigenous artists and other indigenous contributors presented in Native Art Now! perform an act of decolonization, by insisting on being both indigenous and artists, no matter which forms of art and expression they decide to use — and in the range of the variety shown. Rather than allowing non-indigenous people to define them and their art, they insist on defining themselves.
(Betül Seslikaya, student of the University of Tübingen)